Gedankenwelten

H&M

Ich war einkaufen. Socken, ein Hemd und eine Jeans. Als ich letztere anprobieren wollte, hatte ich jedoch ein Problem: eine Millionen kleiner Französinnen, allesamt um die 16 Jahre alt, stürmten den H&M am Potsdamer Platz. In windeseile hatten sie sämtliche Anprobe-Kabinen blockiert. Und nicht nur das: wild miteinander schnatternd flitzten sie zwischen den Kabinen hin und her, tauschten Kleidungsstücke und Meinungen untereinander aus, hüpften mal zu jener, dann wieder zu einer anderen Freundin in die Kabine bloß um dann wieder in der eigenen zu verschwinden.

Der Spuk dauerte ungefähr zehn Minuten, dann zogen die Französinnen weiter und ich konnte in Ruhe meine Hose anprobieren. Unbeantwortet blieb allerdings die Frage, warum ein Haufen ausländischer Girlies sich zum Shoppen in Berlin ausgerechnet einen H&M ausgesucht hatte. Gibt es hier nicht genug Geschäfte, deren Kollektionen sie nicht auch zu Hause anprobieren konnten?

Ich erinnere mich an eine Kursfahrt nach Prag, bei der gut die Hälfte meiner Mitschüler jeden Abend zu McDonalds pilgerten, statt mit in die (damals noch) preiswerten und vor allem guten tschechischen Restaurants zu gehen. Statt dessen zogen sie es vor, Abend für Abend genau das in sich reinzustopfen, was sie auch zu Hause in jeder zweiten Freistunde beim nächsten McDrive einkauften.

Die thailändische Küche gilt als eine der besten der Welt, behauptet zumindest mancher Reiseführer, und seit ich selber dort war möchte ich dem aus ganzem Herzen zustimmen. Dennoch sind die Burger-Buden und Pizza-Lokale rund um die Khao-San-Road immer voll. Das Essen kostet hier ein Vielfaches von dem, was man am Straßenstand zwei Meter weiter bezahlen würde, aber die ach so weltoffenen Backpacker ziehen die vermeintlich heimische
Kost vor.

Nicht anders verhält es sich bei der Bierfrage: Heineken ist sicher kein schlechtes Bier, aber besonders gut ist es auch nicht. Kurz, es ist schlicht langweilig. Trotzdem kann man es beinahe weltweit kaufen. Das traurige dabei: die Menschen tun das auch! Selbst in Ländern wie Deutschland oder Tschechien wollen die Leute das trinken, was sie zu kennen glauben, und wenn es noch so fad und öde schmeckt.

In einer Umfrage unter US-Amerikanern zum Reiseland Deutschland bekannten viele der Befragten, dass sie sich hier sehr wohl gefühlt hätten. Neuschwanstein hätte sie beeindruckt, Heidelberg wäre auch sehr schön gewesen und die Romantic-Rhein-Route sei auch ihrem Namen gerecht geworden. Einzig gestört hätte, so bekannten die meisten, dass es hier so wenig wie in Amerika gewesen sei.

Anscheinend fahren viele Reisende in der Ferne, bloß um dort das altbekannte zu Suchen. Eigentlich verrückt, oder?

In diesem Sinne, ruhig mal was Neues ausprobieren!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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