Fremde Federn

Passengers


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Als die Schwerkraft wegbleibt, wird Jennifer Lawrence von der Schwimmerin zur Gefangenen. Sie sitzt fest in einem gewaltigen, frei in der Luft schwebenden Wassertropfen. Das ist dann allerdings auch schon die stärkste Szene des Filmes, was mehr an den Special Effects und weniger an Jennifer Lawrence liegt. Leider, denn die Grundidee des Films “Passengers” hätte mehr hergegeben als das, was Regisseur Morton Tyldum daraus gemacht hat.

Die Zukunft. Längst ist der Weltraum nicht mehr die Domäne von Staaten. Das private Unternehmen Homestead verdient Billiarden damit, neue Planeten zu kolonialisieren, indem es auswanderwillige Menschen für viel Geld dorthin fliegt. Der Haken dabei: die neuen Welten liegen so weit von der Erde entfernt, dass die Reise dorthin 120 Jahre dauert. Um überhaupt lebend dort anzukommen, lassen sich die neuen Bewohner also in eine Art künstlichen Winterschlaf (“Hyperschlaf”) versetzen, aus dem sie erst wenige Monate vor der Landung wieder aufgeweckt werden.

Bei diesem Flug allerdings geht etwas schief. Der Mechaniker Jim Preston (Chris Pratt) wird wegen eines technischen Defekts zu früh geweckt. Eingelullt von der vollautomatischen Weckroutine, die ihn aus seiner Schlafkapsel in seine Kabine und später in das erste, ebenfalls vollautomatische Einführungsseminar für Neu-Bewohner der Kolonie “Homestead II” lotst, braucht er eine Weile, bis er realisiert: Er ist der einzige wache Mensch auf dem 5000-Passagiere-Luxusweltraumkreuzer Avalon. Verbleibende Flugzeit: 90 Jahre.

Wieder einschlafen? Technisch unmöglich. Kommunikation mit der Homestead-Kundenhotline? Mit Antwort ist frühestens in 53 Jahren zu rechnen. Hilfe von der Besatzung? Nicht zu erwarten, denn diese schläft hinter einer gut gesicherten Metalltür, die sich weder mit dem Schweißbrenner noch mit dem Vorschlaghammer öffnen lässt. Der einzige quasi-menschliche Lichtblick für Preston ist “Arthur” (Michael Sheen), der Androiden-Barkeeper mit menschlichem Oberkörper, der hinter der Bar des Raumschiffes unermüdlich Gläser poliert – “wenn ich nichts tue, macht das die Gäste nervös.”

Der Sündenfall von “Passengers” kommt nach dem ersten Drittel des Films. Nach über einem Jahr auf der “Avalon” entscheidet sich der an seiner Einsamkeit verzweifelnde Preston, eine weitere Passagierin zu wecken, die Journalistin und Autorin  Aurora Lane (Jennifer Lawrence). Es entspinnt sich eine ziemlich langweilige, weil für die prekäre Situation viel zu gradlinige Liebesgeschichte, die nach einem weiteren Jahr an Bord mit einem großen Knall endet. Als Lane herausfindet, dass sie nicht etwa durch eine Fehlfunktion aus dem Schlaf gerissen, sondern von Preston vorsätzlich geweckt wurde, verweigert sie jeden weiteren Kontakt. Für die Abende in der Bar werden, wie es sich bei einer vernünftigen Trennung gehört, wechselnde Tage vereinbart – “Heute ist Dienstag, da gehört Arthur mir”.

Nun nimmt der Film plötzlich Fahrt auf. Nicht nur häufen sich die Fehlfunktionen auf dem Raumschiff, einschließlich der eingangs beschriebenen Szene mit dem Ausfall der künstlichen Schwerkraft. Auch betritt plötzlich ein dritter Mensch die Bühne, um kurz darauf wieder von ihr zu verschwinden: Deckoffizier Gus (Laurence Fishburne) wird ebenfalls von einer Fehlfunktion aus dem Hyperschlaf gerissen, stellt nach kurzer Analyse fest, dass es irgendwo auf der Avalon einen schwerwiegenden Schaden gibt, der für die sich häufenden Fehlfunktionen verantwortlich ist und das Schiff in absehbarer Zeit ganz zerstören wird. Anschließend diagnostiziert der vollautomatische Schiffs-Doc auch bei Gus eine ganze Reihe von “Fehlfunktionen” und konstatiert trocken: “Der Sterbeprozess hat bereits begonnen, aber diese Sedativa werden Ihnen helfen, die Schmerzen zu ertragen”.

Wieder auf sich gestellt, sehen sich Preston und Lane plötzlich vor der Aufgabe, nicht nur ihre eigenen Leben, sondern auch die Leben der 4998 übrigen Passagiere und der Besatzung retten zu müssen, denn der Reaktor der Aurora steht kurz vor der Explosion.

Achtung – Spoiler!
Was folgt ist Hollywood-Actionkino in Reinform: Preston riskiert sein eigenes Leben, um einen Reaktor-Entlüftungsschacht per Hand zu öffnen, wird von Lane gerettet und findet schließlich sogar einen Weg, wie er Lane – nur Lane! – wieder in den Hyperschlaf versetzen könnte. Die entscheidet sich dagegen, weil sie sich ein Leben ohne Preston nicht mehr vorstellen kann. Beide leben glücklich und zufrieden auf der Avalon weiter. Als die Crew 90 Jahre später als erstes aus dem Hyperschlaf erwacht, sind Preston und Lane tot. Was bleibt, ist Lanes Buch, in dem sie die ganze Geschichte erzählt, und ein von Preston gepflanzter Baum im ansonsten metallisch-kargen Hauptraum des Raumschiffes.

Keine Frage, “Passengers” ist ein interessanter Film. Alleine Gedanke, sein bisheriges Leben hinter sich zu lassen und 120 Jahre in der Zukunft auf einem anderen Planeten ein neues zu beginnen, würde als Grundlage für eine abendfüllende Diskussion ausreichen. Im Film wird dieser Gedanke allerdings mit ein paar Sätzen abgehandelt und dann zu Gunsten der faden Liebesgeschichte zwischen Preston und Lane zurückgestellt. Auch die vermeintliche Unfehlbarkeit der Technik, die ja Voraussetzung für 120 Jahre Autopilot ohne jede menschliche Kontrolle ist, wird nur ganz am Rande thematisiert, als sich die Bordelektronik des Schiffes strikt weigert, die Fehlfunktion von Prestons Schlafkabine anzuerkennen.

Hinzu kommt, dass der Trailer zu “Passengers” eine ganz andere Geschichte erzählt als der Film selbst. Das Hauptthema des Films – die Schuld, die Preston auf sich lädt, als er Lane aus dem Hyperschlaf weckt und damit quasi “ermordet”, wie Lane ihm später vorwirft – kommt hier gar nicht vor. Statt dessen wird der Eindruck erweckt, es gehe statt dessen um die vermeintlich mysteriösen Umstände, die für das vorzeitige Aufwachen der beiden Protagionisten verantwortlich sind.

Dass der Film am Ende doch Spaß macht, liegt vor allem an zwei Dingen: Einmal, dass man über die Grundprämissen des Films natürlich trotzdem ganz wunderbar nachdenken kann, zum anderen an der wirklich großartig in Szene gesetzten technischen Beschränktheit von Roboter-Barkeeper “Arthur”. Auch in dieser vermeintlich hochentwickelten Zukunft findet dieser zwar für jedes Problem eine passende Kalenderspruch-Antwort, ignoriert dabei aber souverän alles, was nicht sein kann, weil es ja nicht sein darf. Sehr menschlich eigentlich.

In diesem Sinne, viel Spaß im Kino!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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