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Neue Wege

Der Weg ist das Ziel. Dieser Spruch passt oft, aber längst nicht immer. Nicht jeder Weg ist wirklich ein Ziel, mancher wirklich Mittel zum Zweck: nämlich von A nach B zu kommen. In Berlin wird einem das zur Zeit nicht gerade leicht gemacht. Die BVG streikt und seit zwei Tagen fahren (abgesehen von einem nicht wirklich ernst zu nehmenden Notfahrplan) keine Busse, keine U- und auch keine Straßenbahnen.

Ich habe kein Auto, aber das Privileg, in der Nähe eines U- und eines S-Bahnhofs zu wohnen. Anders als eine Kollegin musste ich also nicht ins Hotel ziehen, um weiter zur Arbeit zu kommen (kein Scherz!). Einzig der Weg hat sich verändert. Spuckte mich die U-Bahn bisher quasi vor der Bürotür aus, muss ich nun einmal umsteigen und außerdem noch ein Stück zu Fuß gehen. Keine große Veränderung, trotzdem genieße ich sie, denn sie öffnet mir die Augen.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, das stelle ich immer wieder an mir selbst fest. Manchmal bin ich überrascht, wenn meine Beine beim Joggen ihren Weg quasi von alleine finden, während mein Kopf seinen ganz eigenen Gedanken nachhängt. Der neue Weg zur Arbeit zwingt mich, wieder wahrzunehmen, was ich sehe.

Irgendwo habe ich mal gelesen, Flexibilität ließe sich trainieren. Schreibtischarbeitern etwa wird empfohlen, öfter mal den Mülleimer umstellen. So werde man gezwungen, gewohnte Verhaltens- bzw. Wegwerfbewegungen über Bord zu werfen und sich an Neues zu gewöhnen. Jogger dagegen sollten öfter mal die gewohnte Runde in entgegen gesetzter Richtung laufen. Das beuge nicht nur der Langeweile vor, sondern erhöhe sogar den Trainingseffekt.
Ihr werdet lachen – beide Tipps funktionieren! Und vermutlich sind sie universeller, als sie auf den ersten Blick scheinen.

Ich mag Berlin und liebe es, trotz Streik, hier zu wohnen. Trotzdem erwische ich mich immer wieder dabei, wie ich quasi-betriebsblind durch die Stadt laufe. Ich ärgere mich darüber, kann es aber nicht immer abstellen. Dabei betrifft es nicht nur die Wege, die ich gehe, sondern auch die Gedanken, die in meinem Kopf kreisen. Wieso nicht auch hier dann und wann einmal bewusst neue Wege gehen? Einfach mal anders denken, als ich bisher gedacht habe?

Es ist verrückt, manchmal stelle ich fest, dass ich eine Erkenntnis als kleines Kind gespeichert und seitdem nie wieder überdacht habe. Dabei reicht oft schon die richtige Frage, um ein kleines Weltbild ins Wanken zu bringen. Oder eben ein BVG-Streik.

Nächste Woche streikt übrigens vielleicht auch die S-Bahn. Dann werde wohl auch ich ins Hotel ziehen. Oder jeden Tag längere Wanderungen unternehmen müssen. Aber das nur am Rande. In jedem Fall wird sich wohl der eine oder andere neue Wege daraus ergeben.

In diesem Sinne, frohes Umdenken!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

2 Kommentare Neues Kommentar hinzufügen

  1. Oder halt Fahrrad fahren! Da können Dir in Berlin schon keine so unangenehmen Überraschungen passieren wie mir gestern nach Benutzung des online-Radroutenplander des ÖPV (hier war auch Streik): “Schnellster Weg zur Arbeit – vermeidet Steigungen” – haha. Als ich ankam, war ich ob dreier fetter Berge auf meinem Weg klatschnass geschwitzt. Naja, immerhin war ich sogar schneller als mit der U-Bahn…
    Lieben Gruß vom Julchen mit der Hexenkatze auf der Schulter

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