Gedankenwelten Zeitreisen

Nacht-Camping

2016-11-13-fensterblick

Nachts bin ich wieder Camper. Zumindest komme ich mir so vor. Ich glaube, dies ist die erste Wohnung, in der das Kopfende des Bettes direkt am Fenster steht. Ich habe mir daher angewöhnt, die Rollläden nachts immer ein Stück weit geöffnet zu lassen. Das nährt die Illussion und lässt mich, das bilde ich mir jedenfalls ein, besser schlafen.

Als Kind bin ich mit meinen Eltern regelmäßig campen gefahren. Einen anderen Sommerurlaub konnte ich mir auch gar nicht vorstellen. Einer der entscheidenen Vorteile war, dass wir so nicht zwei, sondern normalerweise drei oder vier Wochen am Stück unterwegs waren. Hinzu kam, dass man als Kind auf einem Campingplatz normalerweise tun und lassen kann, was man will. So lange man abends zur vereinbarten Zeit wieder beim Wohnwagen war, war alles gut.

Während meine Eltern im Wohnwagen schliefen, übernachteten meine Schwester und ich in einem Zelt. Das war kaum größer als eine bessere Hundehütte, Grundfläche ungefähr zwei mal zwei Meter. Gerade genug für zwei Luftmatratzen und einen schmalen Gang dazwischen. Stehen konnte man in dem Zelt nicht, hatte aber dafür im Liegen eine wunderbare Aussicht nach draußen.

Das Zelt hatte vorne zwei Türen, die beide mit einem Reißverschluss geöffnet wurden. Die eine bestand aus einem wasserabweisenden Stoff, die zweite, dahinter angebracht Tür, war aus eine Art Fliegengitter. Oft war ich morgens schon deutlich vor meinen Eltern wach. Während ich wartete, dass mein Vater aufstehen würde und mit mir zum morgendlichen Schwimmen zum See gehen würde, öffnete ich Tür Nummer 1, so dass mich nur noch das Fliegengitter von Tür Nummer 2 von der Welt dort draußen trennte.

Hier war, auch zu dieser frühen Stunde, schon jede Menge los. Da das Leben auf Campingplätzen naturgemäß mehr draußen als drinnen stattfindet, gab es immer irgendetwas zu sehen. Zudem konnte man die noch kühle, verheißungsvolle Morgenluft genießen, ohne dabei auf die wohlige Wärme des Schlafsacks verzichten zu müssen. Als Kind habe ich das geliebt.

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Wenn ich jetzt morgens aufwache, ist es ähnlich. Zwar schlafe ich zwei Stockwerke höher als damals im Zelt, auch kann ich in der Wohnung durchaus aufrecht stehen. Trotzdem ist das erste, was mir morgens in die Nase steigt, die kühle Morgenluft, die durch das gekippte Fenster ins Zimmer strömt. Wenn ich den Kopf hebe, kann ich durch den Spalt zwischen Rolladen und Fensterbank sehen, wie die Wohnungen auf der gegenüberliegenden Seite des Innenhofs nach und nach zum Leben erwachen. Lichter werden eingeschaltet, in vielen Wohnungen beginnen Fernseher zu laufen oder ich sehe Menschen, die mit Kaffeebechern hin und herlaufen. Einzig das morgendliche Schwimmen im See ist komplizierter.

In diesem Sinne, man kann eben nicht alles haben …

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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