Nachbarn

Ich bin Batman! (Fledermäuse im Schlafzimmer)

Vermutlich hatte sie schlecht geträumt. Das war mein erster Gedanke. Es ist 4 Uhr morgens. Gerade hat I. mich mit den Worten geweckt: “Da sind Fledermäuse in der Wohnung!”

Es war kein Traum. Nicht nur im Schlafzimmer drehten drei oder vier Fledermäuse ihre Runden, auch der Flur war fest in Fledermaushand. Mindestens acht der kleinen Tierchen flogen in enger Formation und in hohem Tempo Achten zwischen Haustür und Badezimmertür. “Du setzt Dich hier hin und lässt die Türe zu, ich kümmere mich darum”, sagte ich zur verängstigten I., auch wenn ich noch nicht wusste, wie ich dieses Kümmern eigentlich anstellen sollte.

Fledermäuse sind nicht gefährlich. Geschichten von blutsaugenden Vampiren der Lüfte, die sich auf Menschen stürzen, um literweise Blut zu trinken, gehören ins Reich der Phantasie. Fledermäuse beißen, aber nur, wenn sie sich angegriffen und in die Enge gedrängt fühlen. Trotzdem sieht ein ganzer Schwarm, der auf engem Raum kreist, ziemlich unheimlich aus. Das liegt allein schon an der eigenen Art zu fliegen. Anders als Vögel haben Fledermäuse keine Flügel, sondern Flughäute. Diese reichen von den Handgelenken bis zu den Fußgelenken. Auf den ersten Blick wirkt es, als hätte sich eine Maus ein Cape übergeworfen. Sie haben deutlich sichtbare Zähne und lange, vom Kopf abstehende Ohren. Und sie können blitzschnell die Flugrichtung wechseln.

Das merkte ich, als ich versuchte, sie irgendwie aus der Wohnung zu bekommen. Zunächst musste ich sie dafür aus dem Flur herausbekommen, denn der hat keine Fenster. Weil mir nichts besseres einfiel, stellte ich mich in die Mitte des langgezogenen Raumes, genau an die Stelle, wo es an der einen Seite ins Wohnzimmer und an der anderen Seite ins Schlafzimmer abgeht. Ich hob die Arme über den Kopf hob und versuchte, mich möglichst wenig zu bewegen. So würde ich auf die Tiere, die sich ja vor allem mit Schallwellen orientieren, wie ein natürliches Hindernis wirken. Im besten Fall würden sie mich für eine Wand halten.

Tatsächlich, es funktionierte. Zwar hielten die Tiere zunächst mit beängstigender Zielgenauigkeit auf meinen Kopf zu, drehten aber jeweils im letzten Moment ab und verschwanden so nach und nach in den beiden anderen Zimmern. Der Trick mit dem natürlichen Hindernis schien also zu funktionieren.

Um zu vermeiden, dass die Tiere wieder in den Flur zurück flogen, schloss ich die Türen und widmete mich dann nacheinander Wohn- und Schlafzimmer, wo die Tiere nun kreisten. Erneut versuchte ich mich als natürliches Hindernis. Da Wohn- und Schlafzimmer anders als der Flur nicht lang und schmal sind, funktionierte das mal besser und mal schlechter. Trotzdem gelang es mir nach und nach, sämtliche Fledermäuse in Richtung geöffnetes Fenster zu lotsen. Nach etwa einer Dreiviertelstunde hatte ich sämtliche Fledermäuse aus der Wohnung ins Freie bugsiert (bis auf eine, die ich wohl übersehen hatte und die uns um kurz vor sechs noch einmal weckte; aber die aus der Wohnung zu bekommen, war dann fast schon ein Kinderspiel).

Inzwischen weiß ich, dass Fledermäuse in der Wohnung zwischen Mitte August und Mitte September gar kein seltenes Phänomen sind. Wenn sich im Spätsommer junge Zwergfledermäuse das erste Mal auf den Weg in ihre Winterquartiere machen, verwechseln die unerfahrenen Tiere manchmal gekippte Fenster mit Höhleneingängen und glauben, einen guten Unterschlupf für den Tag gefunden zu haben. Sie lassen sich dann an Gardinen oder Vorhängen nieder, um schlafend die nächste Nacht abzuwarten. Das können gerne zehn oder sogar deutlich mehr Tiere zu sein. Laut fledermausschutz.de ist es in solchen Fällen am besten, sie einfach hängen zu lassen und ihnen abends die Fenster zu öffnen, damit sie ihren Flug fortsetzen können. Nachts allerdings sollte man die Fenster nach einer solchen Erfahrung erstmal geschlossen lassen. Sonst kann es nämlich sein, dass die Tiere zurückkehren, um die vermeintliche Höhle erneut als Unterschlupf zu nutzen.

In diesem Sinne, nennt mich Batman!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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