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Hinterhofgedanken

In Berlin steht HH nicht für die Hansestadt Hamburg. Das lernt man spätestens bei der Wohnungssuche. Genau so, wie man begreift, dass OH in den Wohnungsanzeigen nicht die Abkürzung für den Kreis Ostholstein ist (sofern man das überhaupt mal gewusst hat) und mit SF nicht das Schweizer Fernsehen gemeint ist.

Am Anfang hat mich das verwirrt. Inzwischen weiß ich, dass OH eine Kohle-gespeiste Ofenheizung beschreibt (mit denen in Berlin meines Wissens immer noch gut 100.000 Wohnungen ausgestattet sind – inklusive meiner früheren Wohnung). Ich weiß außerdem, dass SF für Seitenflügel steht und mit HH das Hinterhaus abgekürzt wird, in dem sich die in der Annonce offerierte Wohnung befindet.

Freilich ist das keine Berliner Spezialität – Hinterhöfe gibt es in vielen Städten. Für mich war es trotzdem eine neue Erfahrung. Plötzlich war ich mittendrin! Der Blick aus meinem Küchenfenster offenbarte zwar ein kleines Stück blauen Himmel, vor allem aber zeigte er den direkten Blick in die baugleiche Wohnung im anderen Seitenflügel.

Als ich einzog, wohnte dort ein junges Paar, das sehr glücklich miteinander gewesen sein muss. Andernfalls hätten sie es unmöglich so lange zu zweit in der überschaubaren Einzimmerwohnung ausgehalten. Einen Sichtschutz in Form von Gardinen oder Rolläden hielten offenbar Beide nicht für nötig.

Ähnlich sah es offenbar auch der Austauschstudent im Erdgeschoss. So lange es das Wetter zuließ, war sein Fenster nicht nur unverhüllt, sondern in der Regel auch offen. Mit der Folge, dass sämtliche Nachbarn sich recht schnell ein sehr detailliertes Bild von seinem Musikgeschmack machen konnten. Gestört hat mich das selten. Zum einen war der Erdgeschoss-Bewohner nicht all zu oft zu Hause. Zum anderen habe ich seit meiner Reise dorthin ohnehin eine Schwäche für  Musik aus Südamerika.

Seit ich vor inzwischen fast vier Jahren aus Berlin weggezogen bin, habe ich an vielen verschiedenen Orten und in zahlreichen unterschiedlichen Wohnungen gewohnt: als Untermieter im Dachgeschoss eines Einfamilienhauses, als Quasi-Langzeiturlauber in einer Ferienwohnung in einem 600-Einwohner-Dorf und in einer möblierten Mini-Wohnungen mit High-Tech-Tiefgarage – allerdings immer ohne Hinterhof.

Den habe ich erst mit dem Umzug nach Karlsruhe vor zwei Jahren wiedergefunden, zumindest bedingt. Hier gibt es zwar keinen echten Hinterhof, wohl aber einen Balkon mit Blick auf die U-förmig angeordneten Häuser rund um meine Wohnung. Fehlt eigentlich nur noch die OH (Ofenheizung).

In diesem Sinne, G. n. B.!

Übrigens: Das Foto über diesem Eintrag zeigt den nächtlichen Blick aus meinem Schlafzimmer in den inzwischen nur noch spärlich beleuchteten Hinterhof meiner Karlsruher Wohnung. Außerdem zeigt es mein Spiegelbild in der Fensterscheibe, während ich diesen Blog-Eintrag schreibe.

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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