Tresenweisheiten

Endzeit-Countdown

Wäre dies ein Film und ich ein Zuschauer, würde ich nun denken: Wie dumm kann man sein? Jetzt gehen die auch noch dahin!? Ist denen denn nicht klar, wie gefährlich das ist?

Allerdings hat man es als Zuschauer auch leichter. Man wird nämlich von der unheimlichen Musik gewarnt, die immer dann einsetzt, wenn sich das ahnungslose blonde Mädchen der Stelle nähert, wo der Axtmörder auf sie wartet. Oder das Seeungeheuer.

Mit einem Seeungeheuer haben wir nämlich insgeheim gerechnet, als wir uns dem kleinen See näherten. Der See, der eher ein Teich war, lag abseits des Fußweges durch das Wuppertaler Gelpetal und war von dort aus nur schwer einsehbar. Alles schien ruhig. Einzig ein leises Blubbern deutete daraufhin, dass hier etwas nicht stimmte.

Dann sahen wir es. Von weitem sah es aus, als würden lauter leicht glänzende Fischeier auf der Oberfläche schwimmen. Erst als wir schon ganz nah dran waren, erkannten wir, dass es sich nicht um Eier handelte, sondern um unzählige, grün-schleimige Gasbläschen. Dicht an dicht schwammen sie in einem geschwungenem, vielleicht eineinhalb Meter breiten Halbkreis auf der Wasseroberfläche und reichten dabei von der Mitte des Gewässers bis fast zu dem Ufer, an dem wir standen.

Die Blasen schienen sich nicht zu bewegen, bis auf einmal von der Mitte des Sees aus eine Art Vibrieren durch das Wasser zu wandern begann. Als hätte jemand ein Ventil geöffnet, fing es an, unterhalb der Bläschendecke zu rumoren. Neue Bläschen begannen an einer Stelle aufzusteigen und sich unter die bereits auf der Oberfläche schwimmenden zu legen, bis diese mit einem leisen “Plopp” zerplatzten. Dann war wieder alles ruhig.

Spätestens jetzt hätte in einem Horrorfilm die unheimliche Musik eingesetzt. Aber dies war ja kein Film. Statt Musik legte sich daher ein muffiger Verwesungsgeruch über das Seeufer. Methan, nehme ich an, ohne es sicher zu wissen. Von einem Seeungeheuer jedenfalls war nichts zu sehen.

Was allerdings nichts heißen muss. Denn vielleicht handelt es sich gar nicht um einen Horrorfilm. Vielleicht war dies ja vielmehr der Anfang eines handelsüblichen Katastrophenfilms a la 2012 oder Volcano. Dann wären wir, ohne dass wir es geahnt hätten, die ersten, die die drohende Katastrophe gesehen hätten. Nur der Zuschauer wüsste, dass dies der Anfang von etwas viel größerem war.

Später würde der US-Präsident den politischen Führern der Welt eröffnen, dass das Ende der Menschheit bevorsteht, und dass es nur eine Chance gebe, dieses zumindest teilweise abzuwenden. Dann wären allerdings schon Millionen Menschen durch Fluten, Vulkanausbrüche oder sonstige Naturgewalten umgekommen. Ein Wissenschaftler würde wild auf einem Laptop tippen und irgendwann mit bedeutungsschwerer Miene das Display in Richtung Kamera drehen. Zu sehen wäre ein Countdown, der sekundengenau anzeigt, wie viel Zeit uns noch bleibt, bis alles zu Ende ist. So ist es doch immer.

In diesem Sinne, sagt hinterher nicht, ich hätte Euch nicht gewarnt!

 

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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