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Everybody Wants Some !!


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Vielleicht ist es ein Fehler, wenn man versucht, diesen Film als Film zu begreifen. Denn eigentlich ist “Everybody Wants Some!!” eher ein Foto. Eine Momentaufnahme aus einer Zeit, die irgendwann den Stempel “die gute, alte Zeit” aufgerdrückt bekommen hat, obwohl man natürlich weiß, dass “die gute, alte Zeit” eigentlich nie existiert hat. Jede Zeit hatte ihre eigenen Probleme. Nur scheinen die in der Rückschau eben längst nicht so präsent, wie sie einem damals vielleicht vorgekommen sind.

“Everybody Wants Some!!” spielt im August 1980, also genau in jener Zeit, als Reagan noch nicht Präsident war, der Vietnamkrieg schon ein paar Jahre vorbei war und die letzte Hochphase des Kalten Krieges noch einige Jahre in der Zukunft lag. Die Pille war längst erfunden, Aids dagegen noch nicht als eigenständige Krankheit anerkannt.

Protagonist des Films ist Jake, der gerade seinen Schulabschluss gemacht hat, und nun sein Studium an einem College irgendwo in Texas beginnt. Als Baseballspieler hat ein Sport-Stipendium und ist zusammen mit seiner neuen Mannschaft in einem von zwei “Baseball Houses” untergebracht – Häusern, die von der Uni gemietet wurden, weil die Uni-Wohnheime voll waren. Hier gibt es genau zwei Regeln: Kein Alkohol – und keine Mädchen in den oberen Stockwerken, wo sich die Schlafzimmer befinden.

Dass selbstverständlich beide Regeln schon wenige Filmminuten später gebrochen werden, dürfte niemanden überraschen, der schon einmal einen amerikanischen College-Film gesehen hat. Ansonsten hadert der Film allerdings mit fast allen Stereotypen dieses Genres, und genau das macht ihn aus.

Ja, es gibt eine Liebesgeschichte. Diese findet aber eher nebenbei statt, anders als man es von klassischen Hollywoodstreifen gewohnt ist. Statt dessen konzentriert sich “Everybody Wants Some!!” darauf, dem Zuschauer das Jahr 1980 möglichst in seiner vollen epischen Breite zu präsentieren. So landen Jake und seine neu gewonnenen Freunde nacheinander erst in einer typischen End-1970er-Disco-Party, machen einen Zwischenstopp mit Country-Music und “Cotton-Eye-Joe” und enden schließlich bei einem wilden Pogo-Punk-Konzert – selbstverständlich nicht, ohne sich vorher entsprechend dem Anlass umgezogen zu haben, inklusive einer Kette mit echten, abgetrennten Entenfüßen.

“Everybody Wants Some!!” strotz vor Klischees, verpackt diese aber so liebevoll, dass es trotzdem Spaß macht, sie anzuschauen. Angefangen mit der offensichtlich sorgfältig ausgewählten Plattensammlung, die Jake in einer ersten Einstellungen in sein neues Zuhause trägt, bis hin zu Tennissocken kombiniert mit viel zu kurzen Shorts, die zu einem der Standart-Oufits des Films zu gehören scheinen. Der Film lebt von Schauspielern, die man bisher noch nicht auf der großen Leinwand gesehen hat, die aber genau deswegen dort ihre ganz eigene Präsenz entfalten können.

Ich werde hier nun keine Inhaltsangabe zu “Everybody Wants Some!!” posten, obwohl diese vermutlich erklären würde, warum ein Ausrufezeichen im Filmtitel zu wenig, drei wiederum zu viel gewesen wäre. Ich werde mich auch nicht in Feinheiten verlieren, wie etwa die Stuttgarter Zeitung, die in ihrer Rezension gleich mal die Darsteller durcheinander gebracht hat. Statt dessen möchte ich einfach nur sagen: Anschauen! Nicht als Film, sondern als Foto – dann macht der Film richtig Spaß!

In diesem Sinne, bitte lächeln!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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