Gedankenwelten

Relativitätstheorie

Wann war eigentlich „damals“? Wie schnell wird „vorhin“ zu „früher“? Und kommt es manchmal vielleicht einfach nur darauf an, wie man sich gerade erinnert?

In einer Vorlesung namens “Erhebungsverfahren” habe ich einmal gelernt, dass man niemals nach Zeiträumen fragen soll. Besser sind Ereignisse. “Haben Sie seit Neujahr Felix’ Welt gelesen?” ist besser als “Haben Sie in den vergangenen drei Monaten diese Seite aufgerufen?”. Zeit an sich ist relativ, ein bestimmter Bezugspunkt dagegen macht es leichter, sie nach “vorher” und “nachher” zu sortieren.

Das Problem: Nimmt man die großen Wegmarken zum Maßstab, ist die Zeit immer gerast. Zu gut habe ich noch das Bild vor Augen, wie ich Berlin mit dem vollgepackten Umzugswagen verlassen habe (an dieser Stelle noch mal ein herzliches Dankeschön an die zahlreichen Pack-Helfer!). Ist das wirklich schon zehn Monate her? Sogar an meinen Abschied von der Luftwaffe kann ich mich noch gut erinnern – und seitdem sind immerhin neun Jahre vergangen.

Anders ist das, wenn ich mich bewusst mache, was seitdem alle passiert ist. Fülle ich die Lücken zwischen den Ereignissen mit Inhalt, kann ein “gestern” leicht zum “damals” werden, so viel Erinnerung passt in die 24 Stunden große Lücke. 

Kurioserweise scheint das menschliche Gehirn so konstruiert, dass wir gerne beide Sichtweisen gleichzeitig absorbieren. Das verwirrt. Zu präsent ist das “damals”, obwohl das “gestern” doch eigentlich längst alle Kapazitäten ausgelastet hat. 

In diesem Sinne, auch die Relativität ist irgendwo relativ!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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