Frauen Tresenweisheiten

Möchten Sie knutschen?

Ich mag das deutsche “Sie” – und ich möchte auch nicht von jedem geduzt werden. Trotzdem komme ich mir manchmal wie verkleidet vor, wenn ich Leute beruflich höflich mit ihrem Nachnamen anspreche, die ich fünf Jahren früher (oder auf  einer Party heute) ganz automatisch geduzt hätte.

Als Kind dagegen habe ich die Erwachsenen beneidet. Gerade in alten deutschen Filmen dauerte es oft sehr lang, bis die Protagonisten von der höflichen zur persönlichen Ansprache finden. Bis zum ersten Kuss war es dafür danach meist nur noch ein Katzensprung. Das “Du” anzubieten schien dabei so etwas wie ein magischer Moment zu sein.

Das dachte ich jedenfalls mit neun. Doch egal, wie gerne ich geküsst hätte, in der Grundschule wirkt das “Du”-Anbieten leider immer lächerlich. Und anders als in den alten Filmen ging es danach auch nicht wirklich weiter. Wenn man als Dreikäsehoch großzügig den Vornamen feilbietet, macht das nun mal nicht wirklich viel her. Zum Knutschen hat es jedenfalls nicht gereicht. (Auch die Filme hatten hier übrigens ihre Grenzen, allerdings etwas weiter gefasste – eine Sexszene mit Heinz Rühmann ist jedenfalls nur schwer vorstellbar, finde ich).

Mittlerweile bin ich 30 Jahre alt, das “Sie” ist mehr die Regel, denn die Ausnahme. Um so frustrierender finde ich, dass der Weg zum Du oft weder einfach, noch automatisch mit Knutschen oder gar Sex verbunden ist. Andererseits stelle ich immer wieder fest, dass man trotz “Sie” ausgesprochen gut flirten kann. Denn mal ehrlich: Muss es denn immer “Du” sein? Zumindest Knutschen kann auch “per Sie” Spaß machen.

In diesem Sinne, darf ich bitten?

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

4 Kommentare Neues Kommentar hinzufügen

  1. Ich finde es immer sehr lustig, wenn sich Leute in Filmen solange siezen, bis sie sich zum ersten Mal küssen. Und plötzlich sind sie dann per du. Was ist eigentlich intimer – jemanden zu küssen, den man siezt oder jemanden zu duzen?

    Bei meinem Job stellt sich die Frage meistens nicht, unter Musikern duzt man sich. Aber immer wieder erschrecke ich, wenn ich Leute in unserem Alter spontan duze, die mich aber zurück siezen. Sehe ich so alt aus oder ist es mit 30 unangemessen, sich gegenseitig zu duzen?

    Übrigens, glaube ich, hast Du am Anfang vom 3. Absatz versehentlich “nein” statt “neun” geschrieben – oder?

    Dicke Umarmung von der Julia

  2. Kann nur sagen, dass man auch mit nahezu dreißig (liege ein paar Wochen hinter Felix zurück ;-)) noch prima durch die Welt kommt, indem man jedes Gegenüber duzt. Kann zwar sein, dass der Chefarzt etwas pikiert guckt, aber knutschen wollte ich den eh’ nicht ;-)

    Und nachdem ich auf einer der letzten Parties folgenden Dialog führte:
    Sie: “Haste Lust auf Rumknutschen?”
    Ich: ” Die Party kommt irgendwie nicht so richtig in Schwung…”
    Sie: “Stimmt, das liegt aber an der Musik, die Neunziger waren halt einfach nicht der Hit…”
    Ich: “Wie war das mir Knutschen?”
    Sie: “Okay – ”
    glaube ich sowieso wieder, dass auf diesem Planeten alles möglich ist…

  3. Neulich wurde ich an der Uni von einem Ersti ganz schüchtern angesprochen mit: “Entschuldigung, wissen Sie vielleicht wo ich den Raum R09 T03 C59 finde?” Ich bin arg erschrocken. Sind wir auf dem Campus nicht alle irgendwie gleich (ausgenommen natürlich die Dozenten und Professoren)? Ich fühle mich selber noch nicht nach “Sie” obwohl es manchmal stolz macht mit “Frau von Hagen” angesprochen zu werden. Das liegt in dem Fall aber mehr an der immer noch gewöhnungsbedürftigen Situation des “verheiratet seins”, als an der Ansprache mit einem “Sie”…

  4. lol Süßer post. (Oder “süßes”?)
    Zum Glück arbeite ich ja hauptsächlich mit Kindern, da ist das schon okay, wenn die siezen und ich duze. Ein Kollege allerdings, so Mitte 20, hat mich direkt von Anfang an gesiezt – und ich zurück, weil er damit angefangen hatte. Allerdings kam ich mir dabei so schön blöd vor, dass ich dann irgendwann kommentarlos zum “Du” gewechselt bin.
    Nach fünf Jahren in Ländern, wo es “Sie” gar nicht gibt oder nur für Leute zwei Generationen drüber, ist das eine ganz schöne Umgewöhnung hier so.
    Allerdings, wenn ich abends unterwegs bin, da kommt doch eh keiner auf die Idee zu sietzen, oder? Die Leute hier jedenfalls sind alle sehr “du”. Wie in “Find ich total gut, du.”
    Find ich auch total gut, du.

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