Papawelten Zeitreisen

Elf Monate Papa oder: Warum Männer mit mir ins Nebenzimmer müssen

An diesen Moment werde ich einmal zurückdenken. Vermutlich vor allem dann, wenn wir über Ausgehzeiten, Berufswahl oder meinen Autoschlüssel diskutieren. Dann werde ich den erwachsenen oder zumindest fast erwachsenen Mensch anschauen und mich daran erinnern, wie er einmal ganz selbstverständlich die kleinen Hände nach mir ausgestreckt hat. “Papa, ich will laufen”, hieß das. Mein Job war es, die Hände nach unten auszustrecken, damit meine Tochter sich an meinen Zeigefingern festhalten konnte. So gesichert ging es auf zwei Beinen quer durch die Wohnung oder im Zick-Zack-Kurs über den Spielplatz.

Ich habe es am Anfang nicht glauben können, auch wenn es mir wirklich alle gesagt haben. Die Zeit vergeht rasend schnell. Gerade noch lag da dieses kleine Baby, das sich nicht selbstständig vom Rücken auf den Bauch drehen konnte – und jetzt marschiert sie auf zwei Beinen durch die Gegend und besteht darauf, den Breilöffel selbst zum Mund zu führen.

An diesen Moment werde ich einmal zurückdenken. Das sage ich mir immer öfter, denn immer öfter führt mir die kleine Maus vor Augen, dass sie nicht ewig eine kleine Maus zu bleiben gedenkt.

Seit kurzem passt sie zum Beispiel nicht mehr unter den Esstisch, sondern stößt nun mit dem Kopf von unten gegen die gläserne Tischplatte. Dafür ist es ihr gestern das erste Mal gelungen, auf den Tisch im Wohnzimmer zu klettern. Das wieder runterklettern beherrscht sie zum Glück schon seit einigen Wochen, weil sie es regelmäßig übt, indem sie sich aus dem Bett abseilt. Wie eine kleine Bergsteigerin hält sie sich dann am Bettlaken fest und gleitet vorsichtig herunter. Das klappt eigentlich immer. Aufpassen muss man nur, wenn es um andere Möbelstücke geht. Offenbar fehlt meiner Tochter noch ein Gefühl für die Höhe, sonst hätte sie nicht kürzlich versucht, auf die gleiche Art und Weise von der gut einen Meter hohen Wickelkommode zu klettern. Zum Glück konnte ich sie rechtzeitig davon abhalten, indem ich mich ganz dicht vor die Kommode gestellt habe.

Das wird später vermutlich nicht mehr so einfach sein. Aus dem kleinen Mädchen wird irgendwann eine junge Frau. Was für ein Vater werde ich dann sein?

Gerne scherze ich darüber, wie ich später einmal jeden männlichen Besucher zuerst in ein Nebenzimmer führe und ihm dort erkläre, was passiert, wenn sie mein kleines Mädchen unglücklich machen: “Wenn Du meine Tochter zum Weinen bringst, dann sorge ich dafür, dass Du auch weinst. Aber Du wirst an einem Ort weinen, an dem Dich keiner hören kann.”

In der Geschichte ist durchaus ein Funken Wahrheit drin. Gerne würde ich meiner Tochter nämlich genau das versprechen: dass ich sie vor allem beschütze, was ihr weh tut. Ich weiß aber auch, dass das nicht funktioniert. Schon jetzt kann ich nicht verhindern, dass sie beim wilden Fangen spielen um (und über) den Wohnzimmertisch manchmal hinfällt und sich weh tut. Trotzdem bricht es mir jedes Mal das Herz, wenn sie weint, selbst wenn es meist mehr vor Schreck und weniger vor Schmerz ist.

Ich weiß aber auch, dass Hinfallen wichtig ist, damit sie daraus lernen kann. Das einzige, was ich tun kann, ist ihr wieder aufzuhelfen, sie zu trösten und sie zu ermutigen, nicht aufzugeben. Letzteres ist zumindest derzeit noch der leichteste Teil – über den große Willen meiner tapferen Kleinen habe ich vor einem Monat schon geschrieben.

Daran, dass ich nun ein Leben lang Papa sein werde, habe ich mich inzwischen gewöhnt, glaube ich. Daran, wie sich diese Rolle über die Jahre wandeln wird, noch nicht. Ich kann mir meine Tochter durchaus als junge Frau vorstellen. Es fällt mir aber schwer, mir klar zu machen, dass das dann der gleiche Mensch ist, der gerade noch auf meinem Arm eingeschlafen ist und dessen kleine Hand meinen Zeigefinger umklammert hat, um beim Erkunden des Spielplatzes nicht immer wieder auf den Popo zu plumpsen.

In diesem Sinne, auf große kleine Mädchen! Wer noch nicht genug hat – alle Papa-Baby-Artikel sind hier gesammelt. Viel Spaß damit!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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