Zeitreisen

Die Zukunft?

Es ist beruhigend, auch hier in Baden-Württemberg gibt es cool-lächerliche Kids. Ein Stück Berlin am Bodensee, quasi, nur dass sie hier eben mit Dialekt schwören. Andererseits ist das auch irgendwie unheimlich: Immerhin sollen diese Kids irgendwann einmal das bilden, was der Volksmund lapidar unter “Gesellschaft” zusammenfasst, man aber auch banal “Die Zukunft” nennen könnte.

In großen Gruppen bevölkern sie den schlauchartigen McD in der Singener Innenstadt und die Fußgängerzone davor. Sie stehen am Bahnhof in Radolfzell und tauschen Begrüßungsrituale aus, die ich weder verstehe geschweige denn nachmachen könnte. Trotzdem frage ich mich, während ich mir meinen Weg vorbei an all den Vorstadt-Rappern und Beinahe-Tussis bahne: War ich auch mal so? 

Ich muss nur ein wenig in meinem Gedächtnis kramen, dann erinnere ich mich, wie ich vor einer gefühlten Ewigkeit, mit 13, glaube ich, Unsummen in Chips für den Kirmes-Autoscooter investiert habe. Mit einem rosa Fahrchip in der Hand war man nämlich  plötzlich interessant für die Mädchen, die nur zu gern mitfuhren. (Hat sich daran eigentlich was geändert? Heute braucht man eben statt eines Chips einen Porsche-Schlüssel). 

Ich weiß noch genau, wie ich mich bemüht habe, falschen Freunden nachzueifern. Wie ich mir mit komischen Ritualen, einer seltsamen Kleiderordnung und einem Bravo-diktierten Musikgeschmack unglaublich toll vorkam. Wie ich ernsthaft dachte, selbst Erwachsene halten mich für einen harten Typen, weil ich Nieten in meine selbst zur Weste gemachte Jeansjacke hämmerte.

Immerhin: Ich bin irgendwann darüber weg gekommen. Ich hoffe nur, das klappt bei den Kiddies heute auch. Sonst sehe ich, das sage ich ehrlich, für die Zukunft eher schwarz. Schauen wir mal, was kommt, würde ich sagen.

In diesem Sinne, viel Spaß beim Älterwerden!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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