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Bitte wenden?

Meine Orientierung ist so schlecht, dass ich mich sogar dann verfahren kann, wenn ich mit einem Navi unterwegs bin. Irgendwie schaffe ich es immer, falsch abzubiegen. Ich glaube einfach, es gibt kaum einen Ort, an dem ich mich nicht verlaufen oder verfahren könnte.

Das ist normalerweise nicht weiter dramatisch. Ich weiß ja, dass ich manchmal etwas länger brauche, um von A nach B zu kommen und kalkuliere den unfreiwilligen Besuch in C, D und E eben einfach mit ein. Hat ja auch Vorteile, so sehe ich was von der Welt. Und wenn ich dann doch mal ganz falsch bin? Naja, ich kann ja immer noch umkehren.

Zumindest theoretisch. Das mit dem Umkehren wird nämlich immer komplizierter, je länger man schon auf der falschen Strecke unterwegs ist. Der Weg zurück wird nicht nur weiter, er ist auch immer schwerer zu finden.

Dass das nicht nur fürs Autofahren gilt, ist mir das erste mal bewusst geworden, als ich gerade mein erstes Studium in Düsseldorf begonnen hatte. Ich glaube, ich habe mich selten zuvor so frei gefühlt wie damals. Dazu muss man wissen, dass vor diesem Studium 13 Jahre Schule und etwas über ein Jahr Bundeswehr gelegen hatten. In Düsseldorf wurde mir zum ersten Mal bewusst, jederzeit wieder umdrehen und von jetzt auf gleich etwas ganz anderes machen zu können. Dieses Gefühl war neu für mich.

Es hielt etwa drei Wochen. So lange dauerte es, bis die neue Freiheit Alltag geworden war. Jeder neue Tag machte das Wenden komplizierter, denn mit jedem neuen Tag wurde der Weg zurück weiter. Mehr noch: plötzlich gab es etwas zu verlieren – nämlich das, was ich mir bis dahin aufgebaut hatte.

Der Weg ist das Ziel, behauptet ein altes Sprichwort. Mit meinem Weg bin ich eigentlich bislang ganz zufrieden. Trotzdem gibt es immer wieder Situationen, in denen mir besonders deutlich bewusst wird, dass es viele Wege gibt und “bitte wenden” zwar eine Option für Navigationsgeräte sein mag, im realen Leben aber nicht immer so einfach ist. Zumindest nicht ohne Verluste – und die Gefahr, sich erneut zu verfahren.

In diesem Sinne, die Route wird berechnet …

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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