Berliner Leben Zeitreisen

Wurstpaket

Zum Geburtstag schenken meine Eltern mir meistens Wurst. Zumindest war das in den vergangenen Jahren so. Keine spezielle Wurst, was es halt so im Supermarkt gibt und was nicht gekühlt werden muss. Auch Frühstücksfleisch in der Dose ist oft dabei, wenn das DHL-Paket eintrudelt. Da ist dann auch ein normales Geschenk drin, das mit der Wurst haben sie aber irgendwie beibehalten.

Angefangen hat das Ganze, als ich gerade nach Berlin gezogen war, um dort ein Masterstudium zu beginnen. Die vorausgegangene Rucksackreise um die Welt hatte meine Ersparnisse bis fast auf Null zusammenschrumpfen lassen. Der Umzug und all der Kleinkram, den man für eine neue Wohnung braucht, hatten meinem Konto den Rest gegeben. Wie lange es dauern würde, bis ich einen Nebenjob finden würde, konnte ich in der neuen Stadt noch gar nicht abschätzen.

Dann kam das Paket. Etwas zu früh, wenn ich mich richtig erinnere. Daher öffnete ich es nicht gleich, sondern stellte es zunächst nur auf meinen Küchentisch. Was das angeht bin ich eigen: Vorab-Geburtstagsgeschenke gehen gar nicht.

Als ich es schließlich zwei Tage später aufmachte, staunte ich nicht schlecht: Befürchteten meine Eltern, ich könnte in der vermeintlichen Fremde verhungern? Die gelbe Schachtel enthielt unter anderem eine 500-Gramm-Edelsalami, eine Dose Frühstücksfleisch, eine Prinzenrolle und allerlei andere Lebensmittel, um die ich in den vergangenen zwei Wochen im Supermarkt einen Bogen gemacht hatte. Zu teuer, wenn man versucht, mit möglichst wenig Geld auszukommen.

Versteht mich nicht falsch. Ich habe nicht gehungert oder tagelang nur Nudeln mit Ketchup gegessen. Ich habe einfach nur darauf geachtet, nicht all zu sehr ins Minus zu rutschen, bis ich wieder selbst Geld verdienen würde.

Dennoch war ich gerührt. Das Paket war wie ein Wurmloch in den stets gefüllten Kühlschrank meiner Eltern. Ein Stück altes Zuhause im neuen Zuhause in Berlin, wo ich nun seit zwei Wochen lebte und wo ich bisher kaum jemanden kannte. Ich war jedenfalls gerührt – und bin es noch heute, auch wenn der praktische Nutzen sich inzwischen natürlich relativiert hat. Die Geste ist und bleibt aber schön, auch wenn ich gerade nicht so genau weiß, wieso ich ausgerechnet jetzt darauf komme. Bis zu meinem nächsten Geburtstag sind es ja noch ein paar Monate.

In diesem Sinne, trotzdem guten Appetit!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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