Frauen

Schneewittchen

Das Prozedere ist jedes Mal das gleiche: ich sitze auf einem Klappstuhl in einem schummrig beleuchteten Raum und lese. Nach rund 80 Seiten / zwei Stunden ruft eine kehlige Stimme meinen Namen, und ich gehe in den Behandlungsraum.

Der Arzt fragt wie es mir geht, ich sage gut. Er wirft einen Blick auf meine Hand und nickt zufrieden. Dann will er wissen, ob ich noch krank geschrieben bin. Ich verneine und erkläre, dass ich ohnehin nicht krank geschrieben gewesen wäre. Ich würde hauptsächlich tippen und das ginge schon, trotz gebrochenem Mittelhandknochen (ich war ehrlich gesagt ohnehin überrascht, dass die Hand gebrochen war, denn so doll weh tut sie nicht). Jedes Mal zieht der Arzt die Stirn in Falten und sagt dann, ich solle nächste Woche wiederkommen.

Heute sind wir am Ende ein wenig von diesem Prozedere abgewichen. Die Hand solle noch mal geröntgt werden, fand der Arzt, um sicherzugehen, dass alles wieder ordentlich zusammen wächst. Also bekam ich einen Überweisungsschein in die Hand gedrückt und wurde in die Röntgenpraxis ein paar Türen weiter geschickt.

Zunächst war ich genervt, weil ich wegen einer Hand, die ohnehin kaum weh tut (zumindest so lange ich niemandem die Hand gebe und mich vorsichtig bewege) schon so viele Stunden in diversen Wartezimmern verplempert habe. Dann aber habe ich Schneewittchen getroffen.

Schneewittchen heißt eigentlich gar nicht Schneewittchen, sondern S. Sie hat pechschwarze Haare, rote Lippen und wenn sie lacht leuchten ihre klaren, blauen Augen als würden sie heimlich von irgendwo angestrahlt. Sie ist nicht sehr groß, vielleicht 1,60m, und es kam mir vor, als hätte sie meine Hand etwas länger als nötig berührt, als sie sie unter der Röntgenmaschine positioniert hat. Vermutlich Einbildung, trotzdem hat Schneewittchen mir den Tag gerettet. Danke dafür.

In diesem Sinne und wenn sie nicht gestorben sind – märchenhaften Gruß!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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