Angefangen hat alles 2006. In diesem Jahr habe ich begonnen, digital zu fotografieren. Alles davor ist analog und lagert im Keller meiner Eltern in der Stadt, in der ich aufgewachsen bin. Sprich: ist mir in einem nostalgischen Moment nach alten Fotos, muss ich dafür 340 Kilometer weit fahren.
Eigentlich ziemlich komisch, wenn man länger darüber nachdenkt. Ich bin ein Freund von regelmäßigen Datensicherungen. Kaufe ich einen neuen Computer, kommen die alten Daten mit. Das ist schon seit Jahr(zehnten) so. Auf meinem aktuellen Laptop finden sich möchtegern-schriftstellerische Ergüsse aus den 1990er-Jahren und Geburtstagszeitungen, die ich weit vor der Jahrtausendwende gestaltet habe. Letztere kann ich inzwischen nicht einmal mehr öffnen, da mir die dazugehörigen Programme fehlen. Klicke ich mich durch alte Ordner auf meinem Laptop, kommt es mir vor, als wäre mein halbes Leben hier gespeichert. Mein halbes Leben, eben bis auf die alten Fotos. Die fehlen.
Wobei selbst die Fotoalben in 340 Kilometern Entfernung oft nur dürftig bestückt sind. Wann hatte man schon eine Kamera dabei? Beim Bier mit Freunden plötzlich einen Fotoapparat – so hieß das damals – zu zücken, hätte die Leute irritiert. Kameras waren eigentlich nur bei besonderen Momenten dabei: Geburtstage, Einweihungsparties, im Urlaub, vielleicht noch, wenn das Gerät neu war und eingeweiht werden wollte.
Manchmal frage ich mich, ob das ein Teenager von heute überhaupt nachvollziehen kann. Wer heute 14 oder 15 ist, hat Deutschland niemals geteilt erlebt – und er kann sich vermutlich nicht vorstellen, wie es ist, wenn Urlaubsfotos erst entwickelt werden müssen, bevor man sie sich angucken kann.
Kein Wunder. Heute gilt: Keine Party, auf der nicht mindestens die Hälfte der Gäste Handybilder macht und diese anschließend bei Facebook, Twitter oder Instagram postet oder sie gleich live, als Video, via Snapchat, in die Welt sendet. Wie soll man diesen Leuten erklären, dass es früher durchaus üblich war, nach einer Klassenfahrt Fotobücher zusammen mit Bestelllisten rumzureichen, wo man eintragen konnte, von welchen Aufnahmen man gerne einen Abzug hätte?
So gesehen ist mein Leben zweigeteilt: die ersten ca. 27 Jahre sind zwar schon in Farbe, aber nur ansatzweise fotografisch festgehalten, die restliche Zeit dagegen überaus intensiv medial dokumentiert, in der Cloud verfüg- und somit jederzeit abrufbar, eine hinreichend schnelle Internetverbindung einmal vorausgesetzt.
In diesem Sinne, ab wann sind Eure Fotos eigentlich digital?